Parkinson & Resilienz
Auf unserem Weg durchs Leben können wir immer wieder von Krisen, Schicksalsschlägen oder Erkrankungen aus der Bahn geworfen werden.
Sieht so aus, als gehöre das zu unserem menschlichen Schicksal, wenn man es so pathetisch formulieren will.
Wie gehen Menschen mit diesen Situationen um und wie entwickelt sich ihr Leben in der Folgezeit? Das wollen wir uns in diesem Newsletter genauer anschauen.
Im Mittelpunkt steht dabei die innere Widerstandskraft, sie hilft uns, scheinbar unüberwindbare Hindernisse zu meistern und auch in schwersten Zeiten unseren persönlichen Weg zu gehen.
Fachleute sprechen dabei von Resilienz, dazu hat sich sogar eine eigene Forschungsrichtung etabliert, so etwa das Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz.
In diesem Artikel lernst du einige dieser Forschungsergebnisse kennen und erfährst, wie du Resilienz zu einem Verbündeten in deinem Leben machen kannst.
Was sind die größten Belastungsfaktoren im Leben?

Im Grunde steckt unser Weg voller Veränderungen, die alle das Potential zu einer Krise oder gar zu einem tiefen Bruch für unser Leben zu haben. Sogar vordergründig schöne und positive Veränderungen können Menschen total unter Stress setzen, etwa eine bevorstehende Hochzeit.
Nicht zufällig taucht dieses Motiv in vielen Filmen auf, etwa „Die Braut, die sich nicht traut.“ Häufiger sind jedoch Krisen durch einschneidende Verluste oder die Angst davor.
- Verlust der Arbeit, Mobbing oder Versetzung
- Scheidung oder Trennung vom Partner mit „Rosenkrieg“
- Existenzielle Probleme, wenig Geld, keine Wohnung, soziale Ächtung
- Unerfüllter Heirats- oder Kinderwunsch
- Krankheiten, die lebensbedrohlich sind oder mit dauerhaften Belastungen
- Kollektive Bedrohungen, wie Epidemien, Kriege oder Umweltkatastrophen
Lebenskrisen können sich in körperlichen und psychischen Symptomen zeigen.
Krisen nagen an unseren Kräften und können eine Reihe von Symptomen nach sich ziehen.
Wenn du solche Anzeichen in deinem Leben bemerkst, dann sprich mit Familie und Freunden.
Zusätzlich kannst du dir therapeutische Unterstützung suchen.
- Apathie & Lähmung
- Erschöpfung & Schlafstörungen
- Selbstzweifel & Antriebslosigkeit
- Ängste & Panikattacken
- Depressionen & Hoffnungslosigkeit
Wie gehst du mit Krisen in deinem Leben um?
Und du, wie sieht es in deinem Leben aus? Welche Krisen hast du schon erlebt und wie hast du sie gemeistert oder vielleicht auch nicht. Wenn du diesen Newsletter liest, bist du wahrscheinlich selbst betroffen als Parkinsonpatient oder Angehöriger.
Erinnerst du dich noch an die Zeit der Diagnose, welcher „Film“ ist da in dir abgelaufen und wie hast du reagiert? Ins Schneckenhaus verkriechen oder den Stier bei den Hörnern packen.
Hast du viel darüber geredet und dir Hilfe und Unterstützung geholt oder eher als Einzelkämpfer die Sache mit dir selbst ausgemacht? Hier gibt es kein richtig oder falsch, es kommt vielmehr darauf an, die Stärken der eigenen Persönlichkeit wirksam einzusetzen.
Resilienz bedeutet auf keinen Fall, wie Superman oder Superwoman jede Bedrohung sofort aus dem Weg zu räumen. Wenn du nach der Diagnose oder beim Fortschreiten der Parkinsonerkrankung ratlos oder am Boden bist, dann ist das völlig normal. Ja, es ist sogar „gesund“, denn wer bei heftigen Krisen im Leben so tut, als sei nichts passiert, der muss meist sehr viel Energie für diese Täuschung aufwenden und brennt innerlich aus.Vielleicht können wir uns Resilienz eher so vorstellen: „Hinfallen, rumjammern, aufstehen, Staub abklopfen und Krone richten.“
Wie würdest du dich selbst einschätzen, bist du ein Stehaufmännchen? Du kennst doch diese kleine Figuren, die unten abgerundet sind und deren Schwerpunkt sehr tief liegt. Du kannst sie noch so oft umschubsen, sie geben einfach nach und richten sich dann wieder auf.
Große Denker in alten Kulturen haben das mit Bambus oder Palmen verglichen, beide können sich bei starken Stürmen bis zum Boden neigen ohne zu brechen. Und wenn der Sturm vorüber ist, richten sie sich langsam wieder auf.
Vielleicht nicht mehr so kerzengerade wie zuvor, aber sie stehen aufrecht und wachsen weiter. Auch das ist eine wichtige Erkenntnis: Es wird wahrscheinlich nie mehr so werden wie zuvor. Sondern anders und durchaus auch gut.

Wenn du willst, kannst du deine persönliche Resilienz mit einem Selbsttest näher kennenlernen. Der Selbsttest wurde im Rahmen des europäischen Resilienzprojektes www.resilience-project.eu entwickelt und wird kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Das stärkt uns in schweren Zeiten und das schwächt uns eher
Es ist schon auffallend, wie verschieden das Leben von Menschen nach Existenzkrisen verläuft. Ein erfolgreicher Manager wird grundlos entlassen und hadert mit dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit, kapselt sich ab und beginnt zu trinken, verliert sein Haus mit der erdrückenden Hypothek, trennt sich von seiner Frau und landet auf der Straße.
Auf der anderen Seite eine Mutter mit zwei Kindern, bei ihr wird Brustkrebs in einer sehr aggressiven Form diagnostiziert. Nach einer kurzen Schockphase konzentriert sie sich ganz auf zwei Punkte. Als Mutter überleben und für ihre Kinder da sein sowie auf dem Weg dahin alle Hilfe zu mobilisieren, damit die Kinder gut versorgt sind.
Die Therapie ist lang und hart, in dieser Zweit fällt sie als Mutter komplett aus, weiß aber ihre Kinder in guten Händen. Am Ende überlebt und lebt sie mit ihrem Krebs und ist bei den Kindern.
Sicher sind das zwei Extreme und doch zeigen sie exemplarisch, was uns in schweren Zeiten stärken kann und was uns schwächt. Wenn wir vor psychischen Herausforderungen stehen, glauben wir oft, alles gleichzeitig erledigen zu können. Aber unsere psychische oder seelische Kraftreserve ist ebenso begrenzt wie unsere körperliche Kraft. Stell dir vor, du machst dich auf eine lange Wanderung, für die du genügend Wasser und Essen mitnehmen musst. Damit ist dein Rucksack voll und du würdest dir nicht zusätzlich einen Stein auf die Schulter laden.
Der Manager, den wir vorhin kennengelernt haben, tut genau das. Das ständige Hadern mit dem, was passiert ist, dieser nicht endende innere Dialog, das ist sein Stein auf den Schultern. Natürlich kommt er mit solchem Ballast nicht voran, Alkohol und Einsamkeit geben ihm den Rest.

Bei der Mutter mit ihren zwei Kindern sieht es anders aus. Sie hat eine klare Aufgabe und sich selbst ein Ziel gesetzt: Überleben, um weiter für die Kinder da zu sein.
Gleichzeitig erkennt sie die Grenzen ihrer Möglichkeiten an, während der langwierigen Behandlung wird sie keine Kraft haben, sich selbst um die Kinder zu kümmern.
Deshalb mobilisiert sie alle Ressourcen, Familie, Freunde, staatliche Unterstützung und auch die Kinder selbst.
Das nimmt ihr den Stein von den Schultern und sie kann ihre ganze verbleibende Kraft während der zermürbenden Therapie auf ihre Genesung konzentrieren.

Resilienz bei chronischen Krankheiten

Wie wir gesehen haben, können die Schockmomente, einschneidende Erfahrungen im Leben, nach denen nichts mehr so ist wie zuvor, sehr unterschiedliche Gesichter haben. Bei einer chronischen Erkrankung wie Morbus Parkinson kann dann zusätzlich unser Potential zur Bewältigung der Situation eingeschränkt sein.
Wenn etwa deine Gehstrecke durch die motorischen Begleiterkrankungen auf wenige hundert Meter schrumpft, dann ist die Empfehlung, im Wald spazieren zu gehen, schwer umzusetzen. Ähnlich ist es mit den häufigen Tipps für eine gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf.
Hier kann der Alltag mit Parkinson dir viele Stolpersteine in den Weg legen und die besten Vorsätze untergaben. Und über alles kann sich dann noch der Schmerz wie ein grauer Schleier legen und es wirklich schwer machen, sich ganz dem Projekt „Resilienz“ zu widmen.
Also sollst du es am besten gleich bleiben lassen? Ganz sicher nicht, aber vielleicht etwas nachsichtiger mit dir sein, wenn du heute nicht vorankommst, weil du letzte Nacht nicht geschlafen hast oder die Dystonie mit ihren Schmerzen gerade deine ganz Aufmerksamkeit in Beschlag nimmt.
Fünf Tipps für dein Leben
Zunächst einmal ist die simple Wahrheit, dass es keine magische Formel für die Bewältigung von einschneidenden, bedrohlichen und lebensverändernden Krisen gibt.
Es gibt aber sehr wohl ein paar Merkmale, die sogenannte Stehaufmännchen kennzeichnen.
Das kannst du im eigenen Umfeld beobachten und auch die Forschung der letzten Jahrzehnte bestätigt das.

1. Anerkennen, was ist
Im Augenblick des Schocks einer Krankheits-Diagnose oder schlimmen Nachricht schützen wir uns oft und blenden vieles aus. Das ist ok und kann sogar überlebenswichtig sein. Und dann ist es Zeit, schrittweise der Wahrheit ins Auge zu blicken.
Wenn wir uns selbst etwas vormachen, uns also „Fake News“ erzählen, dann braucht es sehr viel Energie, um diese Täuschung aufrechtzuerhalten und die Angst abzuwehren.
Kennst du den Scheinriesen in der Geschichte von Jim Knopf? Alle hatten schreckliche Angst vor ihm und haben sich verkrochen. Nur Jim und Lukas sind mit ihrer Lokomotive auf ihn zugefahren und dabei wurde der Riese immer kleiner, denn er war nur ein Scheinriese. So ist das auch oft mit unseren Ängsten.
2. Grenzen respektieren
Eine chronische Krankheit oder Behinderung verändert nicht nur unseren Körper, sie kann auch unsere Position in der Gesellschaft verschieben. „Ich bin nicht mehr so leistungsfähig wie früher oder andere glauben das von mir. Denen werde ich es zeigen und neben meiner Krankheit auch noch Job, Familie, Hobbies und Ehrenamt hinkriegen.“
Fachleute nennen das Überkompensieren. Kannst du machen, musst du aber nicht.
Stattdessen kannst du dein Leben nachhaltig gestalten und deine verminderte und wahrscheinlich abnehmende Energie da einsetzen, wo sie dir und anderen am meisten dient.
3. Hilfe holen
Wenn wir „nach dem Erdbeben“ in unserem Leben nicht mehr der oder die sind, die wir vorher waren, dann kann das auch in Scham münden. „Ich will nicht, dass mich jemand so sieht und womöglich noch bedauert.“ Eine solche Haltung verbaut dir den Zugang zu vielfältigen Hilfs- und Unterstützungsangeboten. Die meisten Menschen helfen gerne, solange dies in einem wertschätzenden Umfeld geschieht, das sie nicht überfordert oder ausnutzt. Und es gibt eine Fülle von staatlichen Angeboten, von der finanziellen Existenzsicherung bis zu Hilfen am Arbeitsplatz oder im Haushalt. Das darfst du mit gutem Gewissen in Anspruch nehmen.
4. Enge Verbindungen pflegen
Wir Menschen leben nicht vom Brot allein, also von der materiellen Versorgung, so wichtig diese auch ist. Eine chronische Erkrankung und andere Schicksalsschläge erschüttern uns in unserem Menschsein. Nichts ist mehr, wie es war und nichts ist selbstverständlich. Da brauchen wir Partner und Freunde, mit denen wir eng verbunden sind. Im Gespräch mit ihnen können wir uns unserer selbst versichern und einen (neuen) Platz in unserem Leben finden. Verstanden zu werden und eine gemeinsame Weltsicht zu teilen, das stärkt uns und bedeutet gelebte Resilienz.
5. Auf die eigene Stärke vertrauen
Und natürlich kommt es auch auf dich an, um „dein neues Leben“ zu gestalten. Wo liegen deine Kenntnisse und Fähigkeiten, was kannst du gut und was hast du schon immer gerne gemacht? Vielleicht sind deine Möglichkeiten begrenzter als früher, deshalb ist es sinnvoll, sie gezielt da einzusetzen, wo dein Einsatz den größten Nutzen bringt. Der Glaube an die eigene Stärke ist ein wichtiges Element der Resilienz und die Fachleute haben sogar ein eigenes Wort dafür geschaffen: Selbstwirksamkeit.
Der Begriff Resilienz gründet auf dem lateinischen Wort resilire und bedeutet abprallen oder zurückspringen. Benutzt wurde das Wort zunächst in der Materialforschung, um zu beschreiben, wie Werkstoffe nach einer Verformung wieder in ihre Ausgangsform zurückkehren. Sie sind also elastisch und flexibel und halten so äußeren Belastungen stand.
Später wurde der Begriff von anderen Wissenschaften übernommen, etwa der Psychologie, dort hat sich die Resilienzforschung als eigener Bereich etabliert. In unserem Lebensalltag bedeutet Resilienz, dass ich meine psychische Gesundheit, meine persönliche Stärke auch unter widrigen Umständen aufrecht erhalten kann. Oder sie nach einem Schicksalsschlag zurück gewinnen kann. Ganz wichtig, die persönliche Resilienz kann trainiert und dadurch stärker werden.
Resilienz: Bedeutung
Buchempfehlungen
Wenn du jetzt noch genauer wissen willst, was Resilienz bei chronischen Krankheiten bedeutet und wie du deine Resilienz im Alltag stärken kannst, dann empfehlen wir zwei Bücher zur Vertiefung des Themas.
100 Resilienz Tools für den Alltag
Caroline Lanzinger
163 Seiten zum Preis von 14,99 €
Erschienen im Ehrengut Verlag 2023
ISBN 978-3982523019