Parkinson damals und heute

Rückblick auf ein Arbeitsleben rund um Parkinson

Rund 20 Jahre lang hat Frau Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder die renommierte Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel geleitet.

Mit der Neurologie und der Parkinsonerkrankung beschäftigt sie sich bereits seit den späten 1980-er Jahren, also über 35 Jahre hinweg.

In dieser Zeit hat sich der Umgang mit Parkinson grundlegend verändert, Diagnostik und Therapie haben große Fortschritte gemacht und der Blick auf die Erkrankung hat sich erweitert.

Über ihr Arbeitsleben rund um Parkinson sprachen wir mit Frau Prof. Trenkwalder für diesen Artikel.

Frühe Jahre in der Neurologie und Psychiatrie

Nach ihrem Medizinstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität LMU in München und der Promotion im Jahr 1986 war die Frage, welche Fachrichtung sie einschlagen sollte.

„Ich wollte damals unbedingt Psychiaterin werden, aber mein Mentor sagte mir, jetzt schauen Sie sich zuerst einmal die Neurologie an, dort können Sie viel lernen.“, sagt Prof. Trenkwalder im Rückblick mit einem Schmunzeln.

So war dann die Neurologie am Klinikum Großhadern über 5 Jahre hinweg die erste große Station auf ihrem ärztlichen Karriereweg.

Anschließend zog es sie doch zum Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und später zur Klinik für Neurophysiologie in Göttingen bevor sie 2003 die Leitung der Paracelsus-Elena-Klinik übernahm.

Die Parkinsontherapie in den 1990-er Jahren

Wie sah die Therapie des Morbus Parkinson in diesen frühen Jahren aus? L-Dopa war als wichtigstes Medikament schon damals im Einsatz. Zusätzlich kamen  neue Nicht-Ergot Dopaminagonisten auf den Markt, nachdem die Ergot-Präparate viele Nebenwirkungen mit sich gebracht hatten, etwa Schädigungen am Herz. Zu dieser Wirkstoffgruppe gehörten Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin und Piribedil.

„Was viele nicht wissen ist, dass die ersten Apomorphin-Pumpen schon in den 1980-er Jahren eingesetzt wurden. Allerdings gab es damals kaum Erfahrungen oder gar Studien zu dieser Therapie. 1990 konnte ich zusammen mit Kollegen eine erste Veröffentlichung zur Apomorphin-Pumpe in der Fachzeitschrift Lancet platzieren, in Form eines Briefes, weil es für eine Originalarbeit zu wenig Daten gab,“ erinnert sich Prof. Trenkwalder.

Ebenfalls erstaunlich ist, dass es erst in unserer Zeit mit der Toledo-Studie den ersten validen Nachweis zur Wirksamkeit der Apomorphin-Pumpentherapie gibt. Auch an dieser Studie, die 2014 mit über 100 Patient*innen an 23 Parkinsonzentren in Europa startete, war Prof. Trenkwalder beteiligt. „Es hat also gut 30 Jahre gebraucht, um wissenschaftliche Studiendaten für eine Therapie zu präsentieren, die wir über Jahrzehnte erfolgreich eingesetzt haben,“ blickt sie zurück.

Komposition zum Thema Kopfkrankheit

Neue Entwicklungen um die Jahrtausendwende

Ende der 1990-er Jahre kam mit der Tiefen Hirnstimulation THS ein völlig neuer Therapieansatz auf und seither hat die THS enorme Fortschritte gemacht. Sie ist viel genauer einstellbar, die Zielpunktfindung hat sich deutlich verbessert.

Die Akkus sind heute wiederaufladbar, für die Patienten stellt dies einen großen Vorteil dar und erspart weitere operative Eingriffe. In Zukunft wird die Implantation der Hirnschrittmacher wohl nur noch unter Vollnarkose erfolgen, auch das bringt Erleichterungen für die Patientinnen und Patienten.

Ein neues Therapieprinzip war auch das erste Rotigotin-Hautpflaster im Jahr 2006, mit dem die Wirkstoffe transdermal und kontinuierlich appliziert werden konnten. Leider stehen den positiven Wirkungen der Dopaminagonisten auch Nebenwirkungen gegenüber, etwa die Impulskontrollstörungen, vor allem bei jungen Patient*innen.

Ein weiterer Meilenstein war die Einführung der Duodopa-Pumpe im Jahr 2010, mit der das Medikament über ein Schlauchsystem direkt in den Darm gegeben wird.

So können die vielfältigen Probleme bei der Resorption oraler Arzneimittel vom Schlucken bis zur Aufnahme im Magen-Darmtrakt umgangen werden.

Für die nahe Zukunft wird hier eine neue, subkutane Applikation erwartet, wie man sie von der Insulinpumpe bei Menschen mit Diabetes kennt.

Umfassenderes Verständnis der Parkinsonerkrankung

Über lange Zeit lag der Fokus der Parkinsonforschung auf den motorischen Störungen und Einschränkungen von der Bradykinese bis zum Freezing sowie auf den Veränderungen der Signalübertragung vom Gehirn zu den Extremitäten. „Nur langsam konnte sich ein umfassenderes Krankheitsverständnis entwickeln, das auch die nicht-motorischen Störungen im Blick hat, etwa Schlafstörungen, Angstzustände oder Depressionen,“ erklärt Prof. Trenkwalder die Weiterentwicklung ihrer Fachdisziplin.

Parallel entstand auch ein neues Verständnis der Pathophysiologie, also zur Entstehung der Parkinsonsymtome als Ergebnis einer Systemerkrankung. Um die Jahrtausendwende veröffentlichte eine Forschergruppe mit den „PARK-2-Ergebnissen“ erste Erkenntnisse zu genetischen Faktoren der Parkinsonkrankheit. „Heute wissen wir, dass beim sogenannten sporadischen Parkinson viele einzelne und oft individuelle Veränderungen schließlich zu den bekannten Symptomen des Parkinson führen.

Bei genetisch bedingten Parkinsonformen gibt es dagegen sehr punktuelle Auslöser, die zu den gleichen Symptomen führen. Parkinson ist für mich wie ein Chamäleon, bei dem man sehr genau hinschauen muss,“ betont Prof. Claudia Trenkwalder im Rückblick auf ihre Arbeit.

Von Erfolgen und enttäuschten Hoffnungen

Innerhalb eines Arbeitslebens hat sich der Umgang mit Parkinson grundlegend verändert, Diagnostik und Therapie haben enorme Fortschritte erlebt.

Daneben gibt es Rückschläge und Enttäuschungen. „In meiner Zeit gab es immer wieder „Hypes“, also absolut angesagte neue Entwicklungen, die später wieder abgeklungen sind.

So haben wir um das Jahr 2000 in Göttingen Versuche zur Stammzelltherapie gemacht.

Aber die Resultate waren nicht umfassend zufriedenstellend, weil nur die Dopamin-Produktion stimuliert wurde,“ erinnert sich Prof. Trenkwalder.

 

„Auch die Arbeiten rund Alpha-Synuclein haben die hohen Erwartungen bis heute nicht erfüllt, warten wir ab, welche Ergebnisse die noch laufende Pasadena-Studie bringen wird.“

 

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Biomarker können die Früherkennung voranbringen

Wir haben vorhin davon gesprochen, welche Erkenntnisse die Forscher*innen in der Neurologie und anderen Disziplinen zur Entstehung des Parkinson gewonnen haben. Hier liegt ein großes Potential für eine Früherkennung, die diesen Namen verdient, also möglichst früh und möglichst flächendeckend.

Denn heute wird die Krankheit oft erst Jahre oder Jahrzehnte nach ihrem Beginn diagnostiziert, wenn spürbare Symptome auftauchen. Seit wir wissen, dass schon früh erhöhte Konzentrationen von Alpha-Synuclein im Nasenraum auftreten, können wir dieses Wissen vielleicht in Zukunft für einen einfachen Selbsttest zum Nasenabstrich nutzen, so wie wir das alle seit COVID kennen.

Andere Biomarker können frühzeitig krankhafte Veränderungen im Mikrobiom des Magen-Darmtraktes anzeigen. Damit können wir Indikatoren für das Parkinson-Syndrom finden, allerdings nicht für Morbus Parkinson direkt.

„Meine persönliche Vermutung ist, dass es ein infektiöses Agens gibt, also entzündlich-immunologische Prozesse maßgebliche Treiber bei der Entstehung der Parkinsonerkrankung sein können.“

 

Aufklärung der Betroffenen ist wichtig

Genauso wie die Forscherinnen und Forscher in der Neurologie Schritt für Schritt die Komplexität des Parkinson erkennen, sollten auch die Betroffenen die verschiedenen Phänotypen, ihre Entstehungsgeschichte und ihre Behandlungsmöglichkeiten kennen.

„Dazu möchte ich alle Patient*innen und ihre Angehörigen hier im Newsletter ermutigen. Und auch die Selbsthilfegruppen können dazu einen wichtigen Beitrag leisten,“ betont Frau Prof. Claudia Trenkwalder. Vielleicht haben Sie selbst schon mal gehört, wie jemand sagt: Mein Nachbar hat auch Parkinson, aber bei dem ist das so und so.

Das wird der Vielfalt der Erscheinungsformen des Parkinson nicht gerecht und führt zu Verwirrung und Verunsicherung. „Mein abschließender Appell ist deshalb: Nutzen Sie die guten Informationsmöglichkeiten, die Ihre DPV-Landesgruppe und viele andere mit Aktionstagen, Webinaren, Selbsthilfegruppen und nicht zuletzt mit diesem Newsletter bieten.

Ich weiß, das bedeutet zunächst mehr Aufwand. Und ich bin sicher, es wird sich lohnen und Sie werden davon profitieren,“ so Prof. Trenkwalder.

Die wichtigsten Stationen des Arbeitslebens von Frau Prof. Claudia Trenkwalder

  • 1979 bis 1986 Studium der Medizin an der Ludwig-Maximilian-Universität, München
  • 1986 Promotion
  • 1988 bis 1993 Facharztausbildung an der Neurologischen Klinik Großhadern, München
  • Ab 1993 Oberärztin für Neurologie am Max-Plack-Institut für Psychiatrie, München
  • Forschungsaufenthalt in den USA
  • 1997 Habilitation über das Restless-Legs-Syndrom
  • Ab 2000 Klinik für Neurophysiologie, Göttingen
  • 2003 bis 2022 Chefärztin der Paracelsus-Elena-Klinik, Kassel
  • Seit 2023 Leiterin des Kompetenzzentrums Parkinson + Bewegungsstörungen an der Paracelsus-Elena-Klinik, Kassel, Online-Sprechstunden für Patient*innen
  • Über 700 Veröffentlichungen
  • 2019-2021 President MDS, 2021-2023 past-President
  • 2008 Dingebauer-Preis der Deutschen Gesellschaft für Neurologie für herausragende Forschung auf dem Gebiet des Restless-Legs-Syndrom
  • 2022 Auszeichnung mit dem Preis für besondere Verdienste der Deutschen Gesellschaft für Neurologie

Das Porträtfoto wurde uns dankenswerterweise von Frau Prof. Trenkwalder zur Verfügung gestellt.

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