Was leisten Wearables bei Parkinson
Inhaltsverzeichnis dieses Artikels:
Eine interessante Entstehungs-Geschichte

Wearables sind tragbare Technologien, oftmals Sensoren, die als Uhr, Schmuck oder Accessoire getragen werden, um Daten über deine körperliche Aktivität oder Gesundheit, etwa Blutdruck oder Puls zu erfassen.
Es gibt verschiedene Arten von Wearables, wie z. B. Fitness-Tracker, Smartwatches, Smart-Glasses und intelligente Kleidung. Sie können auch mit anderen Geräten wie Smartphones oder Computern verbunden werden, um Daten zu synchronisieren und für dich auszuwerten.
Wearables haben in den letzten Jahren immer mehr an Popularität gewonnen und sind ein Teil des Trends zur Vernetzung und Digitalisierung des Alltagslebens geworden. Es kann also gut sein, dass du bereits Wearables benutzt, vielleicht sogar ohne es zu wissen.
Die Digitalisierung verändert das Gesundheitswesen
In der Öffentlichkeit ist immer öfter von einer digitalen Transformation die Rede und auch im Gesundheitswesen drehen sich viele Gespräche um elektronische Patientenakte und E-Rezept, um DIGAS und Telemedizin.
Eine besondere Spielart digitaler Anwendungen sind die sogenannten Wearables, also tragbare Geräte, die kontinuierliche Messungen durchführen. Die Daten können dann bei Diagnose und Therapie von Krankheiten genutzt werden.
Welche Wearables heute bei der Behandlung des Morbus Parkinson eingesetzt werden und was für die Zukunft zu erwarten ist, darüber sprachen wir für diesen Newsletter mit Dr. med. Matthias Löhle aus Rostock. Er ist Kongress Sekretär der Deutschen Parkinson Gesellschaft und wird den nächsten Präsenz-Kongress 2024 in Rostock organisieren.

Was genau sind Wearables?
Vielleicht hast du schon einmal eine 24-Stunden-Blutdruckmessung gehabt oder ein Langzeit-EKG zuhause. Dann hast du auch schon Wearables getragen, denn so nennt man tragbare Geräte, die kontinuierliche Messungen durchführen.
Der Vorteil ist klar, je mehr Messdaten, umso genauer der Befund. Bei den klassischen Geräten werden die Daten anschließend in der Klinik oder beim niedergelassenen Arzt ausgelesen, interpretiert und für die Festlegung der Therapie genutzt.
Trägst du auch eine Smartwatch am Handgelenk?
Dann hast du schon die nächste Generation von Wearables, denn viele dieser Uhren können auch messen. Fast alle bieten einen Schrittzähler und können so dein tägliches Bewegungsprofil erstellen.
Manche messen den Blutdruck, den Puls, die Körpertemperatur und einige sogar Blutzuckerwerte oder überwachen unseren Schlaf.
Diese neue Generation von Wearables will die Messwerte nicht nur an Ärzte und Pflegeteams liefern, sondern dir als Anwender selbst eine direkte Rückmeldung geben und so im besten Fall ein unmittelbares Handeln ermöglichen.
Allerdings gibt es hier noch eine Reihe von Hürden, auf die wir später eingehen.

Gibt es spezielle Wearables bei Parkinson?
Wie sieht es nun speziell bei Parkinson aus? Die Sensoren am Handgelenk können Bewegungen wahrnehmen und daraus ein Beweglichkeitsprofil erstellen. Manche Parkinsonpatienten halten ihren täglichen Bewegungsumfang, also Stehen, Gehen und Sport, für ganz gut und sind dann überrascht, wenn der Bewegungssensor sehr niedrige Werte anzeigt.
„Die Betroffenen haben sich im Laufe der Krankheit an ihre eingeschränkte Beweglichkeit gewöhnt und halten das für normal“, erläutert Dr. Löhle dazu. Ein Vergleich mit der Durchschnittsbevölkerung macht auch wenig Sinn, deshalb erstellen angepasste Sensoren zunächst ein Beweglichkeitsprofil über mehrere Tage und stellen dies in Zusammenhang mit den Einnahmezeitpunkten der Parkinsonmedikation graphisch dar.
Auf Basis dieser Daten können dann Rückschlüsse darauf gezogen werden, ob und an welchen Tageszeiten ein Patient unter Phasen mit Unterbeweglichkeit oder Überbeweglichkeit leidet und die Medikation entsprechend angepasst werden. Ein solcher Sensor ist z. B. der Personal Kinetograph, der in England in die NICE-Guidelines, also die Therapierichtlinien für Parkinson, aufgenommen wurde.

Handgelenk, Sohle und Hüfte als Messpunkte
Das Gangbild gilt bei Parkinson als wichtiger Indikator, um motorische Veränderungen im Verlauf der Erkrankung zu beurteilen. Dabei sollen in Zukunft auch Sensoren helfen. Die sogenannten Accelerometer messen die Beschleunigung beim Losgehen, ebenso die erreichte Geschwindigkeit und die zurückgelegte Wegstrecke, sie können am Handgelenk oder auch am Schuh angebracht sein.
Solche Geräte sind weit verbreitet und vielleicht hast du sie auch schon beim Sport verwendet. Einlegesohlen in den Schuhen können mit Sensoren versehen werden, die Druckpunkte des Fußes beim Gehen und Stehen messen und so auf Fehlhaltungen aufmerksam machen und Bewegungsdaten übermitteln.
Die Gyroskope oder Kreiselinstrumente können Lageveränderungen registrieren und so Hinweise zur aufrechten oder auch zur geneigten Haltung geben. Eine dauerhaft schlechtere Haltung kann die Gefahr von Stürzen erhöhen, die Kontrolle der Körperhaltung ist daher ein wichtiger Baustein der Sturzprophylaxe, also der Vermeidung von Stürzen.
Auch um die Taille getragene Sensoren werden zur kontinuierlichen Messung der motorischen Symptome der Parkinsonkrankheit eingesetzt.
Wie zuverlässig sind die gemessenen Werte?

Bei neuen Technologien fragen Patienten und Ärzte natürlich immer nach Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Aussagekraft der gemessenen Werte. Zu Wearables gibt es inzwischen eine Reihe von Studiendaten, u.a. die VALIDATE-PD, die rund 90 Patienten in Rostock und im schwedischen Lund untersucht hat.
Dabei haben die Patienten ihre motorischen Fluktuationen von Hand in ein Patiententagebuch eingetragen. Parallel trugen sie am Handgelenk einen KinetoGraph (PKG®) mit Sensoren. Und es gab klinische Erhebungen durch die Ärzte. Eines der Ergebnisse war eine gute Übereinstimmung von Tagebuch und Sensor bei den Off-Zeiten. Allerdings gab es deutliche Abweichungen bei den On-Zeiten sowie bei On-Zeiten mit Dyskinesien.
Über die gesamte Patientengruppe hinweg gab es eine mäßige Übereinstimmung von Tagebuch, klinischer Beobachtung und Sensor, die zeitliche Übereinstimmung bei der Detektion motorischer Fluktuationen war hingegen unzureichend. „Hier und heute sind die digitalen Messungen also nur eingeschränkt nutzbar und bedürfen in jedem Fall einer Nachbetrachtung und Interpretation durch den behandelnden Arzt.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Technik und die verwendeten Algorithmen hier weiterentwickeln,“ fasst Dr. Löhle als Leiter der Studie zusammen.

Was ist für die Zukunft zu erwarten?
Bei Parkinson als neurodegenerativer Erkrankung, spielen motorische Symptome wie Tremor, Rigor und Bradykinese eine wichtige Rolle. Wearables, wie zum Beispiel Smartwatches, können dazu beitragen, diese Symptome zu überwachen und so den Verlauf der Erkrankung besser einschätzen zu können.
Durch die Verwendung von Sensoren wie Beschleunigungsmessern und Gyroskopen können Smartwatches auch Informationen über die Bewegung des Arms oder der Hand sammeln, um die Intensität und Häufigkeit von Tremor-Symptomen zu erfassen.
Langfristig sollen diese neuen Technologien helfen, die Lebensqualität und den Alltag der Patienten mit Parkinson zu verbessern.
Eine weitere Art von Wearables sind Sensoren, die in Kleidungsstücke integriert sind und bei Parkinson eingesetzt werden können.
Diese können Daten über die Körperhaltung und Bewegung des Patienten sammeln, um eine Früherkennung von Symptomen und eine Überwachung der Fortschritte der Behandlung zu ermöglichen. Eine wichtige Funktion von Wearables bei Parkinson ist die Möglichkeit, Daten in Echtzeit zu sammeln und an das medizinische Personal oder den Patienten selbst zu senden.
So kann die Behandlung von Parkinsonpatienten im besten Fall individueller gestaltet und eine „persönliche Therapie“ entwickelt werden.
Bis heute mehr Wunsch als Realität
Neben den Vorteilen gibt es allerdings auch einige Herausforderungen bei der Verwendung von Wearables bei Parkinson. So müssen die Geräte beispielsweise auf die individuellen Bedürfnisse und das Mobilitätsniveau des Patienten abgestimmt sein.
Auch müssen die Geräte zuverlässig sein und genaue Daten liefern, um eine effektive Behandlung zu gewährleisten.
Das ist heute (noch) nicht immer der Fall, wie wir weiter oben bei der VALIDATE-PD-Studie gesehen haben.
Neben der Zuverlässigkeit und der praktischen Anwendung werden auch Fragen des Datenschutzes und der Sicherheit diskutiert, der sogenannte „gläserne Patient“ spaltet die öffentliche Meinung und führt zu Kontroversen. Unklar ist bislang auch, wie Kliniken und niedergelassene Ärzte die große Menge an Daten überhaupt sinnvoll verarbeiten sollen, die von Wearables oder anderen Geräten, etwa zur kontinuierlichen Blutzuckermessung, produziert werden.
„Wenn wir das Potential von Big Data, also der großen Menge erhobener Daten in der Medizin, auch abseits von wissenschaftlichen Studien in der Praxis nutzbar machen wollen, dann brauchen wir zukünftig auch hierzu passende Versorgungsstrukturen,“ betont Dr. Löhle. Die digitale Transformation unserer Gesellschaft, von der Politik als eines der Zukunftsprojekte ausgerufen, ist bis heute eher Vision als Realität. Wir werden hier im Newsletter weiter darüber berichten, ob und wie neue Technologien das Leben mit Parkinson positiv verändern können.
Wichtiger Hinweis:
Die Nennung von Produkten oder Verfahren dient nur Ihrer Information und stellt keine Bewertung oder Kaufempfehlung dar.