Sag ich’s oder sag ich’s nicht?

Lege ich meine Erkrankung offen?

Deine Parkinsonerkrankung ist für deine Angehörige, Freunde und Arbeitskollegen nicht immer direkt sichtbar, gerade zu Beginn oder in den „guten Phasen“ können die Symptome leicht übersehen oder falsch gedeutet werden. Vielleicht ist es dir selbst so ergangen, bevor du die Diagnose Parkinson bekommen hast.

Es ist also deine Entscheidung, wem und in welchem Umfang du sagen willst: „Ich habe Parkinson und das kann bestimmte Einschränkungen in meinem Leben bedeuten.“

In diesem Artikel schauen wir uns verschiedene Lebensbereiche an und beleuchten die Argumente, die für oder gegen eine Offenlegung deiner Erkrankung sprechen können. Nimm dir Zeit, zu überlegen und aufzuschreiben, was Gutes und Schlechtes passieren könnte.

Mach dir deine persönliche Checkliste und einen kleinen Fahrplan für die nächsten Schritte. So bist du besser vorbereitet, wenn du die Entscheidung triffst und handelst.

Risiken und Nebenwirkungen

Jede Entscheidung bringt Konsequenzen mit sich und oft wissen wir vorher nicht, welche Konsequenzen das sein werden. Diese Unsicherheit kann Menschen belasten und vielleicht hält sie auch dich davon ab, eine klare Entscheidung zu treffen. Dann kann es helfen, dir klarzumachen, dass keine Entscheidung auch eine Entscheidung ist. Wenn du deine Erkrankung geheim hältst, entscheidest du damit, allein klar zu kommen und auf mögliche Unterstützung zu verzichten.

„Aber was ist, wenn ich es nachher bereue und alles nur schlimmer wird?“ Das ist eine berechtigte Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt. Es gibt jedoch ein Mittel, zumindest den Selbstvorwürfen vorzubeugen, indem du dich umfassend und gut informierst. Studiendaten zeigen, dass Menschen eine Entscheidung mit negativen Folgen weniger bedauern, wenn sie vorher lange genug recherchiert und nachgedacht haben.

Wenn du also nach gründlicher Information und Abwägung deine Entscheidung getroffen hast, dann werden dich auch keine Selbstvorwürfe plagen. Helfen kann dir dabei ein Selbsttest, den wir später noch genauer vorstellen.

Zum Selbsttest

Es gibt keine Sicherheit, nur verschiedene Grade von Unsicherheit

Anton Tschechov

Familie und Freunde

Für die meisten Betroffenen stellt sich die Frage „Sag ich´s meiner Familie“ wahrscheinlich gar nicht, weil es für sie einfach selbstverständlich ist, alle schönen und auch alle schwierigen Momente im Leben zu teilen. Familie bedeutet für sie Sicherheit und Rückhalt, Austausch und Unterstützung.

Zudem ist es ziemlich schwierig und anstrengend, die Parkinson-Symptome und die Einnahme der Medikamente jeden Tag geheim zu halten und so zu tun, als sei alles in Ordnung.

Innerhalb der Familie und im Freundeskreis kann es wichtiger sein, was und wie du von deiner Erkrankung erzählst. Und dazu kann es helfen, wenn du dir die Frage stellst, was brauche ich an Resonanz und vielleicht an Unterstützung von den Menschen, die mir nahestehen. Möchtest du den „inneren Kreis“ einfach informieren, um Offenheit und Klarheit im Miteinander zu erhalten? Wünschst du dir ein offenes Ohr, um in Ruhe von deiner Situation und deinen Gefühlen zu erzählen? Oder brauchst du konkrete Unterstützung, ganz praktisch im Alltag und gute Ratgeber?

Denk auch daran, dass „die anderen“ sich genau wie du erst an die neue Situation gewöhnen müssen und unsicher sind, was deine Erkrankung in ihrem Leben verändern wird. Wichtig ist auch, dass alle anderen Themen des Lebens weiterhin ihren Platz und ihre Berechtigung haben und sich nicht alles um deine Krankheit dreht. Ausführlich hatten wir darüber im Beitrag „Parkinson & Partnerschaft“ berichtet.

Familie unscharf im Hintergrund, Kinder formen mit den Fingern ein Herz

Dein Arbeitgeber

Im Beruf ist es besonders wichtig, die Pro- und Contra-Argumente gut abzuwägen, denn jede Entscheidung kann rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben.

Grundsätzlich bist du nicht verpflichtet, eine chronische Erkrankung, Behinderung, Schwerbehinderung oder Gleichstellung bei deinem Arbeitgeber offenzulegen.

Von dieser allgemeinen Regel gibt es aber wichtige Ausnahmen, die für Parkinsonpatienten relevant sind.

Wenn du dich selbst oder andere gefährdest oder deine Arbeitsleitung nicht mehr erbringen kannst, dann bist du verpflichtet, deinen Arbeitgeber zu informieren.

Als Beispiele werden oft Busfahrer oder Maschinenführer genannt, also Berufe, bei denen Fluktuationen, Schlafattacken, Sehstörungen oder unvorhersehbare On-Off-Phänomene zu lebensgefährlichen Situationen führen können.

Deshalb ist es grundsätzlich verboten, mit Parkinson Lastkraftwagen und Busse zu fahren, darüber haben wir im Artikel „Parkinson & Autofahren“ ausführlich berichtet.

Es muss aber nicht gleich so dramatisch zugehen, auch wenn du deine vertraglich festgelegte Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kannst, bist du verpflichtet, deinen Arbeitgeber zu informieren.

Solange dieser Zustand vorübergehend ist, genügt eine einfache Krankmeldung mit einer Beschreibung der Symptome, die Diagnose Parkinson muss hier nicht mitgeteilt werden.

Sobald die Einschränkungen häufiger oder dauerhaft werden, ist es unbedingt sinnvoll, dich frühzeitig und kompetent beraten zu lassen.

Schwerbehindertenstatus

Bestimmt hast du schon einmal gehört, dass du mit einem Schwerbehindertenausweis bestimmte Rechte und Nachteilsausgleiche im Berufsleben in Anspruch nehmen kannst. Dazu zählen etwa zusätzliche Urlaubstage, ein besonderer Kündigungsschutz und Hilfen am Arbeitsplatz.

All das dient dazu, dass gerade junge Menschen mit Parkinson länger berufstätig bleiben und die Anforderungen am Arbeitsplatz mit den Einschränkungen ihrer Erkrankung in Einklang bringen können. In der Realität sieht das heute meist anders aus, nur sehr wenige junge Menschen mit Parkinson sind vollerwerbstätig und auch nur eine Minderheit arbeitet in Teilzeit.

Du kannst dich an die Integrationsämter wenden und besprechen, welche Hilfen am Arbeitsplatz dir zur Verfügung stehen. Das können etwa Umbauten an deinem Schreibtisch sein, spezielle Programme für deinen Computer oder auch finanzielle Hilfen für dich und deinen Arbeitgeber. Der Schwerbehindertenstatus kann hier viele Vorteile, oder korrekt gesprochen, Nachteilsausgleiche für dich bedeuten.

Mit einer Offenlegung deiner Parkinsonerkrankung können dann auch Fragen der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit auftauchen und damit grundlegende finanzielle und existenzielle Themen. Im ersten Schritt kannst du mit den Betriebsärzten oder der Schwerbehindertenvertretung in deinem Betrieb sprechen, beide unterliegen der Schweigepflicht.

Falls dir das zu riskant erscheint, kannst du dich an die Integrationsämter, die Sozialverbände und natürlich an Selbsthilfeorganisationen wie die Deutsche Parkinson Vereinigung DPV wenden.

Im beruflichen Umfeld hat deine Entscheidung für oder gegen eine Offenlegung die weitreichendsten Auswirkungen, hier geht es buchstäblich um deine Existenz.

Deshalb frühzeitig informieren und keine Entscheidung, etwa zur Berentung, ohne vorherige Fachberatung treffen.

Umgang mit Kolleg*innen

Sobald du deinen Arbeitgeber informiert hast, erfahren in kleinen Betrieben meist auch die Kollegen schnell davon. In Großunternehmen ist das anders, hier bleibt es weiterhin deine Entscheidung, ob du die Kolleg*innen informieren willst. Dafür spricht sicher, dass du in einem guten Team an schlechten Tagen mit starken Einschränkungen unbürokratisch entlastet werden kannst. Oder deine Arbeitsaufgaben werden temporär oder dauerhaft an deine Leistungsfähigkeit angepasst und deine Stellenbeschreibung verändert. Und du musst dich nicht verstecken, wenn ein Symptom gerade besonders auffällig ist.

Je nachdem wie dein Verhältnis zu den Kolleg*innen ist, fürchtest du dich vielleicht vor Diskriminierung, wenn du von deiner Parkinsonerkrankung berichtest. Dann könnte es sein, dass du wegen deiner Beeinträchtigung anders behandelt oder als Person abgewertet wirst.

Vielleicht traut man dir keine neuen Projekte zu oder stellt dich bei Beförderungen hinten an. Hier kann es auch helfen, das Team behutsam und schrittweise zu informieren und zwischen Diagnose und Einschränkungen zu unterscheiden. „Ich habe vor kurzem die Diagnose Parkinson bekommen und möchte, dass ihr das wisst. Mein Arzt hat mir zwei Medikamente verordnet und damit habe ich die Symptome gut im Griff. Ihr braucht euch also keine Sorgen zu machen und wenn die Situation sich ändert, sag ich euch Bescheid.“

Notfalldokumente

In manchen Lebensbereichen gibt es sehr gute Argumente für eine „vorsorgliche Offenlegung“ deiner Erkrankung. Da ist zunächst einmal ein Nothilfepass, in dem grundlegende Informationen wie Blutgruppe, Erkrankungen und Medikamente oder behandelnder Arzt eingetragen werden.

Viele Apotheken bieten solche Nothilfepässe an, du kannst sie auch online nutzen, die kostenfreie Vorlage der Kaufmännischen Krankenkasse haben wir hier als Beispiel eingefügt.

Ganz besonders wichtig sind solche Dokumente, wenn du eine Medikamentenpumpe oder einen Hirnschrittmacher trägst oder es im Alltag immer wieder einmal zu Stürzen kommt. Dann können Rettungssanitäter und Notfallärzte sich schnell ein Bild machen, auch wenn du es gerade nicht selbst erklären kannst.

Nothilfepass als PDF

Mach hier den Selbsttest

Die Frage „Sag ich´s oder sag ich´s nicht“ beschäftigt viele chronisch kranke und behinderte Menschen. So viele, dass eine Forschergruppe in Köln das Thema wissenschaftlich untersucht und die Ergebnisse auf einer eigenen Webseite sag-ichs.de veröffentlicht hat.

Das Kernstück dieser Internetseite ist ein umfangreicher Selbsttest, mit dem du zunächst deine berufliche und persönliche Situation beschreiben kannst und auf dieser Grundlage Argumente für und gegen ein Offenlegung deiner Erkrankung bekommst.

Der Selbsttest erfolgt kostenfrei und anonym, wer möchte, kann einige Monate später an einer Nachbefragung teilnehmen, die der weiteren wissenschaftlichen Forschung dient.

Auf der Seite findest du auch weitere Informationen und Überlegungen, die dir bei deiner Entscheidung helfen können. Ebenso rechtliche Hinweise und Adressen von Unterstützungsstellen.

Zum Selbsttest

Fazit

Sag ich´s oder sag ich´s nicht? Darauf gibt es keine einfache Antwort. In der Familie und bei Freunden ist eine Offenlegung für die meisten Betroffenen selbstverständlich, hilfreich ist es auf jeden Fall, gut darüber nachzudenken, wie du es sagen willst und was genau du dir von den anderen wünschst.

Im Beruf kann eine Offenlegung weitreichende rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben. Bevor du eine Entscheidung triffst, kannst du die vielfältigen Informations-und Beratungsangebote nutzen.

Egal, wie du dann entscheidest, gut informiert brauchst du dir später keine Selbstvorwürfe zu machen.

Parkinson Newsletter

„Der JuPa Newsletter: bleib auf dem Laufenden!“

Dir hat der Artikel gefallen? Wir haben noch mehr davon.

Um keinen zu verpassen, abonniere doch einfach unseren monatlichen Newsletter.

Jetzt Newsletter abonnieren