Parkinson und Handschrift

Ist Handschrift heute überhaupt wichtig?

Schreibst du noch Briefe per Hand? Oder geht bei dir alles digital via WhatsApp, Sprachnachrichten oder Emojis? Wenn man Menschen nach den Auswirkungen der Parkinson-Erkrankung fragt, dann wird nur selten die Veränderung im Schriftbild genannt.

Viele Besucher beim Aktionstag Parkinson Ende Oktober in Neuwied waren daher überrascht, als erste Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage unter Betroffenen vorgestellt wurden. Viele Befragte erleben die Veränderungen ihrer Handschrift als bedeutsame Einschränkung im Alltag, manche schämen sich, wenn das Schriftbild immer kleiner, schräg über die Seite laufend und letztlich unleserlich wird.

Die gute Nachricht ist, dass die Verschlechterung des Schriftbildes durch gezielte ergotherapeutische Maßnahmen gebremst und die Handschrift sogar wieder verbessert werden kann. Wie das geht, darüber haben wir mit Melanie Kapune gesprochen, sie ist zertifizierte Handtherapeutin in der Neurologischen Klinik Sorpesee im Sauerland.

Bei 2 von 3 Patienten verändert sich die Schrift

Bei der Aufnahme in der Klinik berichten rund 2 von 3 Patienten über Schwierigkeiten beim Schreiben und eine spürbare Veränderung im Schriftbild.

Wie ist das bei dir, hast du eine Veränderung deiner Schrift bemerkt? Nicht selten werden die Betroffenen von der Familie oder Freunden darauf hingewiesen, dass man ihre Schrift kaum noch lesen kann

„Aber nicht für alle diese Patienten ist die Veränderung der Schrift im Alltag bedeutsam,“ betont Melanie Kapune.

Zum einen, weil die digitale Kommunikation über Mail und Apps den handgeschriebenen Brief weitgehend ersetzt hat.

Oder auch weil die Schrift zwar schlechter geworden, aber noch immer lesbar geblieben ist.

„Die Patienten bleiben maximal 17 Tage bei uns, da ist es wichtig, klare Schwerpunkte in der Therapie zu setzen. An der Handschrift arbeiten wir nur, wenn es für die Betroffenen wichtig ist,“ so die Ergotherapeutin.

Senior schreibt in ein Buch, Handy liegt daneben

Die Schrift ist Teil der gesamten Feinmotorik

Veränderungen im Schriftbild stellen oft die Spitze des Eisbergs dar, darunter liegen größere Einschränkungen. Etwa ein eingeschränkter Radius der Arme, eine gebückte Haltung des Oberkörpers, Verlangsamungen beim Greifen und natürlich auch der Tremor. In der Regel entstehen bei Parkinson-Patienten Störungen im Bereich der Feinmotorik und Handfunktion durch die sog. Bradykinesie oder Hypo-/ Akinesie.

So nennt man eine allgemeine Verlangsamung aller grob- und feinmotorischen Bewegungen („Bradykinesie“), die sich dann Schritt für Schritt zu einer deutlich eingeschränkten Fähigkeit entwickelt, bestimmte willkürliche Bewegungen zu starten und in vollem Umfang auszuführen. („Hypo-/ Akinesie“).

Eine Bradykinesie bzw. Hypo-/ Akinesie kann jedoch auch dazu führen, dass eine willkürlich begonnene Bewegung nicht abgestoppt werden kann, oder diese Bewegung nicht mehrmals und in guter Qualität ausgeführt werden kann. Und genau diese wiederkehrende Bewegungsführung ist ja nötig, um mehrere Zeilen auf eine Seite zu schreiben.

Der Ausgleich durch die andere Hand ist beim Schreiben schwierig

Viele Patienten neigen dazu, feinmotorische Handlungen mit der weniger betroffenen Hand auszuführen und somit ihre Defizite zu kompensieren. Vielleicht kennst du auch dieses Verschieben von rechts nach links oder umgekehrt.

Beim Schreiben ist das nicht so einfach möglich, deshalb fallen Feinmotorikstörungen häufig beim Schreiben besonders auf. Patienten berichten über undeutliches und verändertes Schriftbild, eine veränderte Stifthaltung, Verkrampfungen der Hände beim Schreiben oder einen zu hohen oder zu niedrigen Druck auf das Schreibgerät.

Typisch für Parkinson-Patienten ist eine sog. Mikrographie, bei der sich nicht nur das Schriftbild deutlich verkleinert, sondern auch der Abstand zwischen den einzelnen Buchstaben geringer wird. Betroffene sind kaum noch in der Lage, den Stift in einer geraden Linie über das Blatt zu führen.

Die typischen Merkmale einer Mikrographie werden vor allem durch die Bradykinesie hervorgerufen, die nicht nur die Schreibdynamik im Bereich des Ellenbogen- und Handgelenks, sondern vor allem auch im Bereich der Finger deutlich herabsetzt.

 

Ursachen erkennen und schrittweise vorgehen

Das Graphomotorik-Training, so nennen Fachleute das gezielte Schreibtraining, beginnt in der Klinik mit einer genauen Betrachtung der Ursachen für die Verschlechterung der Schrift. Ist der Oberkörper nach vorne gebeugt und schränkt dadurch die Bewegung der Arme ein?

Gibt es Bewegungseinschränkungen durch Rheuma, Arthrose oder andere Begleiterkrankungen? Dann kann es helfen, einen Sitzkeil auf den Stuhl zu legen und eine Lordosenstütze zu verwenden und so die Sitzposition möglichst aufrecht zu gestalten.

Wichtig ist auch, dass die Füße fest auf dem Boden stehen, hier wird manchmal eine kleine Fußbank eingesetzt. Und natürlich darf sich der Stuhl nicht verschieben, ein Bürostuhl auf Rollen ist nicht geeignet. „Wir achten in der Klinik zunächst darauf, dass die gesamten Rahmenbedingungen zum Schreiben gut sind, bevor wir mit den eigentlichen Übungen beginnen,“ beschreibt Melanie Kapune das Vorgehen ihres Teams.

Wie hast du dir zuhause deinen Schreibplatz eingerichtet, hast du schon einmal gezielt Veränderungen vorgenommen? Heute gibt es Tische, deren Höhe verstellbar ist und wo die Tischplatte leicht gekippt werden kann.

Wo das nicht möglich ist, kann man eine spezielle Schreibunterlage verwenden. Letztlich geht es darum, eine gute Schreibhaltung zu ermöglichen.

Hilfsmittel gezielt zur Unterstützung nutzen

In der Klinik ist das Schreibtraining in die Ergotherapie eingebettet und dauert in der Regel 30 Minuten pro Einheit. Sobald der Schreibplatz gut eingerichtet ist, geht es ans Ausprobieren mit verschiedenen Stiften.

Wie schreibt es sich mit einem dreieckigen Kugelschreiber, kann ich den besser halten? Es gibt gummierte Stifte, die mehr Halt bieten und so ein Abrutschen verhindern. Ebenso Griffverdickungen, um eine eingeschränkte Fingerhaltung auszugleichen.

Bei älteren Patienten mit vermindertem Sehvermögen ist auch die optimale Ausleuchtung des Schreibtisches wichtig, um Kontraste und Linienführung zu erkennen. Los geht es dann mit Schwungübungen, die etwa die Bögen bestimmter Buchstaben nachahmen.

Wichtig ist dabei immer, dass eine bestimmte Bewegung mehrmals in gleicher Qualität wiederholt werden kann. Beim Schreiben selbst können Hilfsblätter mit dicken Linien für jede Zeile und Markierungen für Beginn und Ende einer Zeile unterlegt werden.

Wenn die Schrift sehr stark schräg über Blatt verläuft, kann eine Schablone eingesetzt werden, um die Schrift auf einer Linie zu halten.

Eigentraining bereitet auf den Schritt nachhause vor

Die Ergotherapie-Einheiten mit 30 Minuten gehen schnell vorbei und nicht alles kann dabei erprobt werden.

Das Eigentraining anhand von „Hausaufgaben“ für den Abend ist dann eine sinnvolle Ergänzung. Regelmäßiges Üben verfestigt die Abläufe, gleichzeitig können auch bestehende Schwierigkeiten erkannt und beim nächsten Mal mit den Therapeuten besprochen werden.

„Für das Eigentraining empfehlen wir den Patienten auch, sehr genau die gesamte Situation beim Schreiben wahrzunehmen und Unterschiede zu erkennen. Wann und wofür schreibe ich, geht es zu bestimmten Tageszeiten oder an verschiedenen Tischen besser?

So können Betroffene sich selbst eine Rahmen schaffen, der ihr Schreiben gut unterstützt,“ fasst Melanie Kapune die Empfehlungen für ihre Patienten zusammen.

Und die Rückmeldungen bei der Entlassung oder auch später bestätigen die Wirksamkeit des Graphomotorik-Trainings, viele Patienten berichten, dass sie ihre Sitzhaltung verändert haben, sie halten den Stift nicht mehr so fest und verkrampfen dadurch weniger und das Schriftbild wird insgesamt größer.

Das alles kannst du selbst daheim ausprobieren. Beobachte genau, unter welchen Bedingungen besser oder schlechter wird und passe deinen „Schreibplatz“ daran an.

Eine Hand mit Stift fährt eine Kontur nach

Zusammenfassung

Bei den Auswirkungen des Parkinson denkt man nicht sofort an Veränderungen der Handschrift. Viele Betroffene erleben dies aber als bedeutsame Einschränkung, das hat eine bundesweite Befragung ergeben. Beim Graphomotorik-Training, wie Fachleute das Schreibtraining nennen, wird zunächst eine gute Ausgangssituation geschaffen.

Passende Tischhöhe und Neigung, angepasstes Licht, angenehm zu haltende Stifte und bei Bedarf Hilfslinien zur Orientierung. Und dann geht es mit Schwungübungen los mit denen bestimmte Bewegungsabläufe immer wieder und in gleichbleibender Qualität wiederholt werden.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Schriftbild spürbar vergrößern lässt und Betroffene wieder gerne eine Karte oder ein paar Zeilen für andere schreiben und ihre eigenen Notizen besser lesen können.

Wir danken Melanie Kapune für ihre wertvollen Impulse zu diesem Beitrag, sie ist ausgebildete Ergotherapeutin mit einer Weiterbildung als zertifizierte Handtherapeutin.

Seit 2013 arbeitet sie in der Neurologischen Klinik Sorpesee im Sauerland, zwischenzeitlich auch in einer Praxis, um die Weiterbildung abzuschließen. Ihre Erfahrungen hat sie beim Aktionstag „Leben mit Parkinson“ der DPV-Landesgruppe Rheinland-Pfalz und Saarland im Oktober 2022 in Neuwied zusammen mit einem Kollegen vorgestellt.

Einige der abgebildeten Fotos wurden uns dankenswerterweise von der Klinik Sorpesee zur Verfügung gestellt.

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