Experten-Interview: Neues aus der Forschung

Auf unserer Webseite berichten wir regelmäßig über den aktuellen Stand der Parkinsonforschung und fragen Wissenschaftler*innen, woran sie gerade arbeiten und was sie für die nächsten Jahre erwarten.

Heute sprechen wir mit Prof. Dr. med. Brit Mollenhauer, Chefärztin der renommierten Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel ist, einer Fachklinik für die Behandlung von Parkinson und Bewegungsstörungen.

Was gibt es Neues aus der Parkinsonforschung?

Aktuell sehen wir viele neue Studienergebnisse zur Diagnostik und Therapie der Parkinsonkrankheit. Eine Reihe von Studien hatte schon vor längerer Zeit begonnen, wurde dann aber durch die Corona-Einschränkungen verzögert oder musste ganz pausieren.

Besonders interessant sind die Ansätze für eine verbesserte Frühdiagnostik, denn noch immer ist es so, dass bis zur Diagnose Parkinson zu viel Zeit verstreicht und die neurologischen Schädigungen weit fortgeschritten sind, bevor sie diagnostiziert werden.

Wenn es uns gelingt, die Erkrankung wesentlich früher zu erkennen, dann kann dies einen großen Schritt zu einer verbesserten Prävention bedeuten.

Woran arbeiten Sie mit Ihrem Team?

Wir arbeiten seit über 20 Jahren an der Entwicklung von Biomarkern für die Parkinsondiagnostik. Neben der generell früheren Erkennung der Krankheit geht es auch darum, die vielfältigen Varianten des Parkinson genauer zu identifizieren und sehr spezifische Therapien zu entwickeln.

Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen. Vieles deutet darauf hin, dass Alpha-Synuclein eine zentrale Rolle bei der Entstehung des Parkinson spielt und dass wir hohe Konzentrationen davon in der Nase finden. Gleichzeitig wissen wir, dass oft schon 20 bis 30 Jahre vor der Manifestation der Krankheit Anzeichen von Riechstörungen auftreten.

Da liegt es doch nahe, einen einfachen Nasentest zu entwickeln, so wie wir es alle seit COVID kennen. Wenn wir eine ganz bestimmte Konzentration von Alpha-Synuclein zuverlässig einem Frühstadium des Parkinson zuordnen können, dann eröffnet dies ein flächendeckendes, einfaches und kostengünstiges Screening.

Früherkennung des Parkinson steht im Fokus

Wenn bei neurologischen Untersuchungen die Diagnose Parkinson gestellt wird, dann besteht die Krankheit im Körper der Betroffenen oft schon seit 20 bis 30 Jahren.

In dieser Zeit stehen die sogenannten nicht-motorischen Symptome im Vordergrund, dazu gehören etwa Obstipation, also Verdauungsprobleme bis hin zu Verstopfungen, Riechstörungen oder Depressionen.

Weil jedes einzelne dieser Symptome auch andere Ursachen haben kann, denken viele Betroffene sowie ihre Ärzte nicht immer sofort an Parkinson.

Ein Symptom ist unspezifisch, wenn jedoch alle drei zusammen auftreten, dann ist das schon ein deutlicher Hinweis auf die Parkinson Erkrankung.

Noch eindeutiger sind die isolierten REM-Schlaf-Verhaltensstörungen. In REM-Phasen (rapid eye movement) bewegen sich normalerweise die Augen sehr schnell und man träumt ohne sich dabei zu bewegen.

Im Frühstadium des Parkinson kann es jedoch dazu kommen, dass die Betroffenen sich im REM-Schlaf bewegen und die Träume ausleben.

Kann Fasten den Parkinsonverlauf beeinflussen?

Der Zusammenhang zwischen der Darmflora und neurologischen Prozessen im Gehirn ist seit längerem bekannt. Auch wenn wir noch nicht alle Mechanismen genau verstehen, stellt sich mit diesem Wissen die Frage, ob wir durch eine positive Veränderung des Darm-Milieus auch den Verlauf der Parkinsonerkrankung beeinflussen können.

Dazu machen wir derzeit größere Studien zusammen mit der Universität Luxemburg und der Charité in Berlin. Wir untersuchen, ob gezieltes Fasten Entzündungsprozesse mildern oder stoppen kann und sich der Parkinsonverlauf verbessert.

Schon heute können wir sagen, dass Bewegung und Ernährung einen sehr großen Einfluss auf unsere Alterungsprozesse haben. Jeder Mensch hat somit sehr wirksame Hebel in der Hand, sich generell gesund zu halten und gezielt Risikofaktoren des Parkinson zu verringern.

Warum sollten viele Patienten bei den Studien mitmachen?

Es ist natürlich verständlich, dass sich heutige Betroffene eine Forschung wünschen, die schnelle und greifbare Ergebnisse bringt, von denen sie selbst unmittelbar profitieren. Ein Blick auf die Forschungsgeschichte zeigt jedoch, dass es nur selten solche revolutionären Durchbrüche in der Medizin gibt. Meist erleben wir eine langsame, kontinuierliche Entwicklung.  Die spürbaren Fortschritte kommen dann erst der nächsten Patientengeneration zugute.

Wir leisten deshalb viel Überzeugungsarbeit, um Menschen zur Teilnahme an Studien zu begeistern. Zurzeit läuft in unserer Klinik ein groß angelegtes Projekt mit dem Titel „Gesund Altern!“, das es sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen mit hohem Risiko für Parkinson oder Demenz frühzeitig zu identifizieren, bevor die Erkrankung auftritt.

Im ersten Schritt werden Personen angeschrieben und können online einen Fragebogen ausfüllen zu Faktoren, die nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ein erhöhtes Risiko für neurodegenerative Alterserkrankungen darstellen. In einer zweiten Phase wird dann einem Teil der Befragten ein Riechtest zugeschickt. Einige erhalten zudem eine Einladung zu weiteren Untersuchungen in der Paracelsus-Elena-Klinik.

Das alles erfolgt auf vollkommen freiwilliger Basis. Bisher haben schon mehr als 8.000 Menschen an der Onlinebefragung teilgenommen. Mehr Informationen zu diesem Projekt gibt es auf einer eigenen Webseite. Es bringt uns immer voran, wenn Menschen bei ebensolchen Projekten mitmachen.

www.gesundaltern.eu

Außenansicht der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel

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Wird Parkinson irgendwann heilbar sein?

Heute gibt es noch keine kausale Therapie des Morbus Parkinson, allerdings können die Symptome durch ganz unterschiedliche Behandlungsansätze immer besser kontrolliert werden. Wir sehen auch, dass nach der durch COVID bedingten Entwicklungspause viele neue Medikamente in der Zulassung sind und teilweise sehr präzise bei spezifischen Parkinsonformen wirken.

Unter dem Stichwort „small molecules“ arbeiten viele Teams an Verfahren, um die Ansammlung von Alpha-Synuclein in den Zellen zu reduzieren oder zu stoppen. Auch wenn einige Ergebnisse erst nachfolgenden Patientengenerationen zugutekommen, so rufen wir doch alle heutigen Betroffenen auf, sich zur freiwilligen Teilnahme an diesen Studien zu melden.

Die Zulassungsverfahren für neue Medikamente stellen hohe Anforderungen an Wirksamkeit und Sicherheit und nur mit ausreichend großen Patientengruppen in den Studien können die notwendigen Nachweise erbracht werden.

Hier können die Selbsthilfegruppen einen wichtigen Beitrag leisten und ihre Mitglieder immer wieder auf den Sinn und den Nutzen neuer Studien hinweisen. 

Zur Person

Prof. Dr. med. Brit Mollenhauer ist seit 2022 Chefärztin der renommierten Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel, nachdem sie bereits seit 15 Jahren als Oberärztin und Leiterin der Studienkoordination im Team der Elena-Klinik arbeitet. 2007 war sie aus Havard nach Kassel gewechselt, um sich intensiver der Erforschung des Parkinson-Syndroms zu widmen und auch direkt mit Patienten zu arbeiten.

Seither wurden dort unter ihrer Federführung zahlreiche klinische Studien entwickelt und durchgeführt, die zum internationalen Ansehen der Klinik beigetragen haben.

Prof. Brit Mollenhauer ist u.a. auch als Beraterin verschiedener Gremien der Michael-J.-Fox-Stiftung für Parkinsonforschung tätig.

2013 wurde sie mit dem Robert-Wartenberg-Preis der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ausgezeichnet. Sie gehört zu den meist zitierten Wissenschaftler*innen weltweit, wer sich detailliert dafür interessiert, findet hier ihre Publikationen.

Zu den Publikationen

 

Die Fotos wurden uns freundlicherweise von der Paracelsus-Elena-Klinik zur Verfügung gestellt.

Prof. Brit Mollenhauer